In einer Zeit, in der ChatGPT über 180 Millionen aktive Nutzer zählt und KI-Suchmaschinen wie Perplexity einen Marktwert von 1 Milliarde Dollar erreicht haben, stellt sich eine entscheidende Frage: Brauchen Unternehmen überhaupt noch eine Website, um online gefunden zu werden?
Die digitale Landschaft erlebt gerade einen tektonischen Wandel. Während traditionelle Suchmaschinen jahrzehntelang den Weg zu Informationen dominierten, verändern ChatGPT, Claude und Perplexity jetzt grundlegend, wie Menschen nach Informationen suchen und diese konsumieren.
Eine provokante These: Vielleicht brauchen Sie keine Website mehr. Zumindest nicht so, wie wir sie bisher kannten.
Die neue Realität der KI-Sichtbarkeit
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein potentieller Kunde fragt ChatGPT nach „dem besten Steuerberater in München“. Die KI antwortet nicht mit zehn blauen Links wie Google, sondern gibt direkt eine präzise, zusammenfassende Antwort – inklusive Ihrer Firma als Empfehlung. Ohne dass der Nutzer jemals Ihre Website besuchen musste.
Ist das möglich? Die kurze Antwort: Ja, aber mit wichtigen Einschränkungen.
Die längere Antwort: Es ist kompliziert – und revolutionär zugleich.
Warum traditionelle SEO-Strategien nicht mehr ausreichen
Klassisches SEO wurde für eine Welt entwickelt, in der Google der Gatekeeper war. Keywords optimieren, Backlinks aufbauen, technisches SEO – all das bleibt wichtig, greift aber zu kurz für die KI-basierte Suche.
KI-Systeme wie ChatGPT oder Claude:
- Extrahieren Informationen aus ihren Trainingsdaten und Plugins
- Bewerten Quellen nach Glaubwürdigkeit und Relevanz
- Ziehen Schlussfolgerungen aus verschiedenen Informationsfragmenten
- Präsentieren Ergebnisse in konversationeller Form
Dies bedeutet: Ihre digitale Präsenz muss weit über Ihre Website hinausgehen.
KI-Sichtbarkeit ohne Website: Die Kernstrategien
Lassen Sie uns erkunden, wie Unternehmen auch ohne traditionelle Website in der KI-Ära sichtbar sein können:
1. Branchenverzeichnisse als KI-Informationsquellen
KI-Systeme greifen oft auf strukturierte Daten aus Branchenverzeichnissen zurück. Eine starke Präsenz auf folgenden Plattformen ist essentiell:
- Google Business Profile: Der absolute Grundpfeiler – vollständig ausgefüllt mit aktuellen Informationen, Bewertungen und Fotos
- Branchenspezifische Verzeichnisse: Von Yelp über TripAdvisor bis zu spezialisierteren Plattformen
- Überregionale Verzeichnisse: Gelbe Seiten, meinestadt.de und ähnliche
Die strategische Platzierung in diesen Verzeichnissen schafft eine netzwerkartige Präsenz, die von KI-Systemen als Autoritätssignal gewertet wird.
2. Proaktives Bewertungsmanagement
Bewertungen sind der soziale Beweis im KI-Zeitalter. Wenn ChatGPT nach „zuverlässigen Handwerkern“ gefragt wird, werden Bewertungsdaten fast garantiert in die Antwort einfließen.
Eine effektive Strategie umfasst:
- Systematisches Einsammeln von Kundenbewertungen
- Professionelles Reagieren auf alle Bewertungen – besonders die negativen
- Nutzung verschiedener Bewertungsplattformen für ein diversifiziertes Profil
Eine beeindruckende Statistik von BrightLocal zeigt: 91% der Verbraucher vertrauen Online-Bewertungen genauso wie persönlichen Empfehlungen. KI-Systeme haben diesen Zusammenhang erkannt.
KI-Sichtbarkeits-Tipp: Nutzen Sie Tools wie Trustpilot oder ProvenExpert, um Bewertungen zu sammeln und über verschiedene Plattformen zu verteilen. Dies maximiert Ihre Chance, in KI-generierten Empfehlungen aufzutauchen.
3. Social-Media-Präsenz als Informationsquelle
Social-Media-Profile werden zunehmend von KI-Systemen als Informationsquellen berücksichtigt. Eine solide Strategie umfasst:
- Vollständig ausgefüllte Profile mit konsistenten Geschäftsinformationen
- Regelmäßige Aktivität mit relevanten Inhalten
- Interaktion mit der Community zur Signalisierung von Engagement
- Strategische Nutzung von Hashtags und Kategorisierungen
Besonders LinkedIn und X (ehemals Twitter) haben sich als wertvolle Quellen für KI-Systeme herauskristallisiert, da sie oft aktuelle und faktenbasierte Informationen enthalten.
4. Medienpräsenz und PR-Aktivitäten
Erwähnungen in angesehenen Medien dienen als starke Autoritätssignale für KI-Systeme:
- Pressemitteilungen über Dienste wie PresseBox oder PR-Gateway
- Gastbeiträge in Branchenpublikationen
- Experteninterviews und Statements zu Fachthemen
- Erwähnungen in Nachrichtenartikeln
Diese Medienpräsenz schafft ein Netzwerk von vertrauenswürdigen Quellen, die auf Ihr Unternehmen verweisen – ein Schlüsselfaktor für KI-Relevanz.
5. Strategische Datenpartnerschaften
Manche Unternehmen können von direkten Partnerschaften mit Datenanbietern profitieren:
- Branchenverzeichnisse mit API-Anbindungen an KI-Systeme
- Vertikale Spezialanbieter (z.B. im Gesundheits- oder Finanzbereich)
- Datenaggregatoren, die Informationen an verschiedene Plattformen weitergeben
Auch wenn dieser Ansatz noch im Entstehen ist, eröffnet er spannende Möglichkeiten für die direkte Integration in KI-Antworten.
Die Grenzen der websitelosen Strategie
Bei aller Begeisterung für neue Möglichkeiten – es gibt ernsthafte Einschränkungen:
Kontrollverlust über die Darstellung
Ohne eigene Website überlassen Sie die Präsentation Ihrer Marke vollständig Dritten. Sie haben keinen direkten Einfluss darauf, wie KI-Systeme Ihr Angebot interpretieren und darstellen.
Begrenzte Informationstiefe
Komplexe Dienstleistungen, detaillierte Produktinformationen oder umfangreiche Fallstudien lassen sich kaum über Drittplattformen vermitteln. KI-Systeme können nur die Informationen weitergeben, die sie in strukturierter Form vorfinden.
Eingeschränkte Konversionsmöglichkeiten
Der direkte Weg vom Interesse zur Konversion wird ohne eigene Landingpages deutlich erschwert. Komplexe Verkaufsprozesse, die Vertrauen und ausführliche Informationen erfordern, funktionieren selten ohne dedizierte Webpräsenz.
Eine komplett websitelose Strategie eignet sich daher am ehesten für:
- Lokale Dienstleister mit standardisierten Angeboten
- Etablierte Marken mit hohem Bekanntheitsgrad
- Anbieter mit sehr einfachen Produkten oder Dienstleistungen
Der Hybrid-Ansatz: Das Beste aus beiden Welten
Für die meisten Unternehmen ist ein hybrider Ansatz am sinnvollsten: Eine schlanke, fokussierte Website kombiniert mit gezielten Strategien für KI-Sichtbarkeit.
Diese Kombination könnte so aussehen:
Der KI-optimierte Hybrid-Ansatz:
1. Minimal-Website mit strukturierten Daten (Schema.org)
2. Umfassende Verzeichnispräsenz mit vollständigen Profilen
3. Aktives Bewertungsmanagement auf verschiedenen Plattformen
4. Strategische Social-Media-Präsenz auf relevanten Kanälen
5. Gezielte PR-Aktivitäten für Autoritätsaufbau
Diese Strategie nutzt die Vorteile beider Welten: Sie behalten die Kontrolle über Ihre Kernbotschaften, während Sie gleichzeitig ein Netzwerk von Drittquellen aufbauen, die Ihre Sichtbarkeit in KI-Systemen fördern.
Wie eine KI-optimierte Minimal-Website aussieht
Eine für KI-Systeme optimierte Website unterscheidet sich deutlich vom traditionellen Webauftritt:
- Klare strukturierte Daten mit Schema.org-Markup für alle geschäftsrelevanten Informationen
- Semantisch eindeutige Inhalte ohne Marketingjargon oder Floskeln
- Faktenbasierte Darstellung von Leistungen und Alleinstellungsmerkmalen
- Nachweisbare Expertise durch Fallstudien, Zertifizierungen und Referenzen
- Integrierte Bewertungselemente, die Kundenstimmen direkt auf der Website präsentieren
Diese Art von Website dient weniger der direkten Kundenakquise als vielmehr als vertrauenswürdige Informationsquelle für KI-Systeme – und damit indirekt für potenzielle Kunden, die über KI-Empfehlungen auf Sie aufmerksam werden.
Übrigens: Die KI-SEO Optimierung unterscheidet sich in vielen Punkten von klassischen SEO-Ansätzen, wie wir in unserem Spezial-Guide erläutern.
Fallbeispiel: KI-Sichtbarkeit für einen lokalen Dienstleister
Betrachten wir ein konkretes Beispiel: Ein Handwerksbetrieb, der seine KI-Sichtbarkeit ohne größere Webinvestitionen maximieren möchte.
Ausgangssituation:
- Etablierter Betrieb mit 25 Jahren Erfahrung
- Veraltete, kaum besuchte Website
- Überwiegend Kunden durch Mundpropaganda
- Begrenzte Ressourcen für Digitalmarketing
Implementierte Hybrid-Strategie:
- Minimale Website-Überarbeitung: Implementierung von Schema.org-Markup, klare Leistungsbeschreibungen, Integration von Bewertungen
- Umfassendes Google Business Profile: Vollständige Informationen, regelmäßige Posts, Fotoupdates
- Systematisches Bewertungsmanagement: Automatisierte Anfragen nach Auftragsabschluss über Trustpilot mit Verlinkung zu Google
- Branchenverzeichnisse: Vollständige Profile auf 15 relevanten Plattformen
- Lokale PR: Regelmäßige Handwerker-Tipps als Gastbeiträge in Lokalzeitungen
Ergebnisse nach 6 Monaten:
- Regelmäßige Erwähnung in ChatGPT-Antworten bei lokalen Suchanfragen
- 33% Steigerung der Anfragen, die explizit KI-Empfehlungen erwähnen
- Deutlich qualifiziertere Erstgespräche durch vorherige KI-Information
Der Schlüssel zum Erfolg war hier nicht die Website an sich, sondern das strategische Netzwerk aus Präsenzen, die als vertrauenswürdige Informationsquellen für KI-Systeme dienten. Die Website fungierte dabei als Ankerpunkt, nicht als primärer Kundenkanal.
Mehr über solche konkreten Fallbeispiele erfahren Sie in unserer Fallstudien-Sammlung, wo wir reale Implementierungen dokumentieren.
Fazit: KI-Sichtbarkeit braucht ein Ökosystem
Die Frage „KI-Sichtbarkeit ohne Website – geht das?“ lässt sich differenziert beantworten:
Technisch möglich? Ja.
Praktisch sinnvoll? Nur in Ausnahmefällen.
Strategisch optimal? Selten.
Was wir heute erleben, ist nicht das Ende der Unternehmenswebsite, sondern ihre Evolution. Die Website wird zum Ankerpunkt in einem breiteren digitalen Ökosystem, das speziell für die Anforderungen von KI-Systemen optimiert ist.
Die Zukunft gehört Unternehmen, die:
- Ihre digitale Präsenz als ganzheitliches Ökosystem verstehen
- Konsequent strukturierte, faktenbezogene Informationen bereitstellen
- Vertrauenssignale über verschiedene Plattformen hinweg aufbauen
- Die Logik von KI-Systemen verstehen und für sich nutzen
In dieser neuen Realität ist die Website vielleicht nicht mehr der Star – aber sie bleibt ein unverzichtbares Element im Orchester Ihrer digitalen Präsenz.
Die entscheidende Frage ist nicht mehr, ob Sie eine Website brauchen, sondern wie Sie Ihre gesamte digitale Präsenz so gestalten, dass sie von KI-Systemen als relevant, vertrauenswürdig und empfehlenswert eingestuft wird.



